Natürlich gibt es jede Menge Fisch auf der Speisekarte des Bundeslandes, das gleich zwischen zwei Meeren liegt – Nordsee und Ostsee. Und deshalb offeriert Günter Rump in diesem Büchlein auch jede Menge Fischgerichte, wenn er die Leserinnen und Leser mitnimmt in die Küche von Schleswig-Holstein. Er nennt diese Küche gar eine „faszinierende Fusion aus maritimen Einflüssen und regionalen Traditionen“. Vielleicht ist es das, was die Norddeutschen so in sich ruhen lässt: Wer eine wirklich gute Küche hat, muss sich nicht so künstlich aufregen wie die Leute aus Bayern beispielsweise.

Der muss sich auch nicht um hohe Ämter prügeln, weil es daheim immer ein gutes Essen gibt. Die Böden sind fruchtbar. Es gibt also auch immer frisches Gemüse, Kartoffeln und Obst. Weshalb noch viel legendärer als Bismarckhering und Labskaus die traditionellen Eintöpfe sind, die sättigen und wärmen, wenn der Wind mal ein bisschen stärker pfeift und der Regen übers Land streicht.

Der berühmteste Eintopf: Birnen, Bohnen und Speck. Danach kann einem keiner mehr was. Aber natürlich ist nicht jeder Tag an der Küste ein Regentag. Sodass man immer die Wahl hat zwischen leicht und deftig.

Essen wie ein Deichgraf

Und das geht in diesem Büchlein gleich los mit Gemüsegerichten, die erlebbar machen, wie vielfältig auch die hiesigen Gemüse sind. Frisch gekauft – ab in die Schüssel: Salat mit Schafskäse, Dorschsalat mit Erbsen, Krautsalat nach Art der Dithmarscher Deichgrafen. Die fühlt man sich doch gleich fürstlich erhoben. Auch wenn Deichgrafen vor allem diejenigen waren, die sich um die Instandhaltung der Deiche kümmern mussten.

Aber Kohl gab es immer. Man landet hier im größten Kohlanbaugebiet Deutschlands, merkt Pump an. Da geht die Fantasie von ganz allein auf Wanderschaft: Rotkohl mit Rippchen, Grünkohl mit Bratkartoffeln, vegetarische Wirsingroulade. Die Fotos machen sichtbar, was die Rezepte nur vermuten lassen. Und es sieht lecker aus. Wenn ein Gasthof so etwas anbietet, sollte man einkehren. Aktuell vielleicht sogar: Spargel mit Sauce hollandaise.

Und wenn man den genossen hat, erfährt man, wie die Bauern den Katenschinken vor 300 Jahren erfanden. Ein echtes Holsteiner Original.

Man riecht ihn schon beim Umblättern. Auch wenn es dann erst einmal in die reiche Suppenlandschaft geht – mit Sauerampfersuppe, Krabbensuppe, Steckrübensuppe usw. Aus diesem Büchlein geht keiner hungrig raus. Eher liegt es mit fettem Lesezeichen auf dem Küchentisch, während Kohl und Zutaten in die Töpfe wandern. Sauerkrauttopf, Dithmarscher Möhreneintopf, Angeliter Schnüsch.

Sprotten und Matjes

Erst danach kommen die deftigen Vorschläge für ein echtes Küstenfrühstück – mit Spiegelei, Rührei, Sprotten, Hering. Und da man gerade in der Gegend ist, erfährt man auch, woher Sprotten und Bismarckheringe kommen und was bei den Glückstädter Matjeswochen passiert.

Natürlich kann auch passieren, dass einfach eine anfängt, die Koffer zu packen und die Familie vor die rigorose Wahl stellt, jetzt endlich ein paar Tage im Norden zu verbringen oder … Es würde vielleicht genau der richtige Vorschlag für einen Urlaub, der seinen Namen wieder verdient. In eine Landschaft, die schon danach riecht, wie sie schmeckt.

Und es muss auch nicht bei Schollen und Flundern bleiben, wenn einer hier unbedingt dem Fleichgenuss frönen will. Es gibt auch noch ein paar Gerichte mit Lamm, Ente, Pute und gepökeltem Rindfleisch. Auch damit musste man ja früher die langen stürmischen Winter überleben. Und zum Ausklang gibt es sowieso das Süße, das jeder kulinarische Band aus dem Buchverlag für die Frau zum Finale offeriert: Fürtchen, Oonbras und Haseldorfer Apfelkuchen. Und als Zugabe einen echten Pharisäer. Aber nur, wenn der Pastor grad nicht guckt. Er könnte sonst neidisch werden.

Und ob man nun hinreist ist oder in die eigene Küche gestürmt: Hinterher hat man beim Zuklappen des Büchleins wieder das Rauschen der Wellen im Ohr, das Gefühl einer leichten Brise im Haar und einen freundlicheren Blick in die Welt. Denn wer weiß, dass es in so eine Landschaft nicht verhungert, nimmt das Leben leichter. Das könnte vielen Leuten hier unten in aufgeregten Gegenden guttun. Vielleicht noch einen Pharisäer. Wer genießt, löst keine Staatskrisen aus.

Günter Pump „Schleswig-Holstein kulinarisch“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2025, 6 Euro.

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